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1. Einleitung:  Im Jahr 1948 wurde der Staat Israel auf einem Gebiet in der Region Palästina gegründet,  die überwiegend von palästinensischen Arabern bewohnt war. Vor dem israelischen  Unabhängigkeitskrieg lebten im Territorium des späteren Staates Israel rund 900.000  Palästinenser. Nach dem Krieg waren es nur noch 156.000.  Die übrigen Palästinenser  wurden während des Krieges von israelischen Truppen vertrieben oder sie flohen wegen  der Kriegsschrecken in die umliegenden Gebiete, insbesondere nach Jordanien, Libanon und Syrien. Diejenigen palästinensischen Araber, die im neu gegründeten Staat Israel  verblieben, sind damit der Ursprung der heutigen arabischen Minderheit in Israel. Obwohl Israel sich als die Heimat des jüdischen Volkes bezeichnet, leben in Israel rund  1.6 Millionen Araber, die 20 % der Bevölkerung ausmachen. Die arabische Bevölkerung  in Israel setzt sich hierbei überwiegend aus Muslimen, Christen und Drusen zusammen.  Auf der einen Seite sind diese Araber Palästinenser, weil sie ursprünglich vom  palästinensischen Volk abstammen. Auf der anderen Seite sind sie Israelis, weil sie die  israelische Staatsbürgerschaft besitzen. Während viele Araber sich in Israel als Bürger  zweiter Klasse fühlen, sind sie hinsichtlich vorteilhafter Lebensumstände erfreut, in Israel  anstatt in einem arabischen Land zu wohnen. Weil diese Araber sowohl israelische als  auch palästinensische Zugehörigkeitsgefühle haben, sind sie mit einem Konflikt zwischen  ihrer nationalen Identität als Palästinenser und ihrer Staatsidentität als Israelis  konfrontiert. Aufgrund dieses Identitätsdilemmas ist es sehr unterschiedlich, wie sich die  Araber in Israel selbst definieren. Manche heben ihren palästinensischen Ursprung  hervor und bezeichnen sich als Palästinenser. Andere betonen ihre israelische  Staatsbürgerschaft und betrachten sich als Israelis. Viele wiederum sind bemüht, eine  Kombination aus beiden Aspekten zu formulieren. 2. Bürger zweiter Klasse: Laut der israelischen Unabhängigkeitserklärung wird der Staat Israel „volle soziale und  politische Gleichberechtigung aller Bürger ohne Unterschied der Religion, der Rasse und  des Geschlechts gewähren.“  Dennoch ist es offensichtlich, dass Juden und Araber in  Israel ungleich behandelt werden. „Obwohl die Araber in Israel laut Gesetz die volle  Gleichberechtigung genießen, muss betont werden, dass die Realität oft anders  aussieht“ (Standel).  Die Differenzierung zwischen israelischen Arabern und israelischen  Juden lässt sich bereits bei der Erstellung des Personalausweises aufzeigen. Die Rubrik  Nationalität im Personalausweis unterscheidet zwischen „Jude“ oder „Araber“.  Ein 187-seitiger Bericht der Organisation „Human Rights Watch“ legt Nachweise über die  Ungleichheit zwischen arabischen und jüdischen Staatsbürgern im Bildungssystem.  „Their classes are 20 percent larger on average. They get far fewer enrichment and  remedial programs – even though they need them more – in part because the Ministry  uses a different scale to assess need for Jewish children. Their school buildings are in  worse condition, and many communities lack kindergartens for three and four year old.”  Die Organisation „New Israel Fund“ beschäftigt sich ebenfalls mit dieser Thematik. Laut  deren Bericht investiert die israelische Regierung pro Jahr 1100 $ in jeden jüdischen  Schüler und nur 192 $ in jeden arabischen Schüler. Die mangelnde Gleichberechtigung lässt sich weiter an den Beschäftigungsmöglichkeiten  bzw. an der wirtschaftlichen Situation der israelischen Bevölkerung deutlich machen:  50% der Israelis, die unterhalb der Armutsgrenze leben sind Araber, obwohl sie nur 20%  der israelischen Bevölkerung ausmachen.  Nur 2.4% der Industriegebiete in Israel  befinden sich bei der arabischen Bevölkerung. Während die neben Nazareth neugebaute jüdische Stadt „Nazereth IIlit“ ungefähr 600 Hektar Industriegebiet für 42.000 Einwohner  hat, erreicht die Fläche des Industriegebietes für die arabische Stadt Nazareth mit 66.000 Einwohnern nicht einmal 15 Hektar.  Darüber hinaus gehören 36 arabische Städte zu den 40 israelischen Städten mit der höchsten Arbeitslosigkeit.  Die Diskriminierungspolitik dehnt sich auf den Landbesitz und Baugenehmigungen aus.  Bei einem Bevölkerungsanteil von 20% sind nur 2.5% des israelischen Landes in  arabischem Besitz. Baugenehmigungen sind für Araber nur schwer zu bekommen.  Landerwerb ist unmöglich. Seit der Staatsgründung wurden 700 neue jüdische  Wohnsiedlungen aufgebaut, während nur wenige für arabische Bürger errichtet wurden.  Die Fläche der arabischen Stadt Sakhnin wurde sogar vom Jahr 1945 bis 2004 von 7000  auf 900 Hektar reduziert. Diese von der israelischen Regierung betriebene Politik führt im arabischen Sektor zu einer Bevölkerungsdichte, erhöhten Wohnkosten und chaotischer  Verkehrslage.  Die arabischen Bewohner im Südisrael, explizit die Beduinen leiden unter schwierigen  Wohnverhältnissen. 39 Dörfer werden von der israelischen Regierung nicht anerkannt  und gelten als „illegale Dörfer“.  „Das heißt, dass diese keine Schulen besitzen, keine  medizinische Betreuung, keine Infrastruktur, nichts“ (Schneider, 2007).  Es kommt nicht  nur zu gewaltsamen Räumungen dieser Dörfer, sondern auch zur Zerstörung der  aufgebauten Häuser. Jedoch kommen die arabischen Einwohner zurück und versuchen  wieder ein neues Wohngebiet aufzubauen.  Beispielweise wurde das Dorf „Arakib“ am  10. April 2013 zum 49ten Mal von israelischen Kräften zerstört. Der ehemalige Regierungsberater in Israel und Leiter des „Israel-Palestine Center for  Research and Information“ Dr. Gershon Baskin schrieb „Leider kann niemand behaupten, es gäbe Gleichheit zwischen Juden und Arabern in Israel. Wir müssen so ehrlich mit uns  selbst sein, öffentlich zuzugeben, dass es in diesem Land immer noch zu viel  Diskriminierung zwischen Juden und Arabern gibt. Diese Diskriminierung liegt im System,  sie ist nicht nur soziologisch – Diskriminierung auf der Ebene von Stereotypen und  Vorurteilen zwischen Menschen -, sondern sie kommt von der Regierung und durchdringt  fast alle Lebensbereiche, die unter Regierungsvollmacht stehen.“ 3. Das Wohlfühlen:  Auf der anderen Seite lässt sich anhand von Umfragen und Beispielen erkennen, dass  die Araber in Israel sich wohlfühlen. Das Ergebnis einer Studie über die Araber in Israel  vom „Institute for Policy and Strategy – Herzliya“ zeigt, dass 82% der israelischen Araber  nicht lieber Bürger eines anderen Landes wären.  Professor Sammy Smuha am Jüdisch  Arabischen Zentrum der Universität in Haifa beschreibt diese Haltung als „resignation  and reconciliation of Arabs in a Jewish democratic country.“  Die arabische Zeitung „Kul Al-Arab“ führte eine Umfrage über einen vermuteten  Landtausch zwischen der palästinensischen Autonomiebehörde und israelischer  Regierung durch. In diesem Fall wären die Bewohner der arabischen Stadt Um el Fahem  betroffen. 83% der Befragten waren gegen diesen Vorschlag und wollten nicht unter  palästinensischer Herrschaft leben, sondern weiter unter israelischer Zuständigkeit  bleiben. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass die arabische Minderheit in Israel  trotz ihres Lebens als Bürger zweiter Klasse ein Wohlgefühl in Israel hat.   Das Wahlverhalten der arabischen Israelis spiegelt diese Tatsache wider. Während  arabische Parteien an den israelischen Wahlen frei teilnehmen dürfen, so wählte 25% der Araber im Jahr 2013 bei der Parlamentswahl jüdische Parteien. Die arabischen Wähler  sind enttäuscht von den Abgeordneten der arabischen Parteien im israelischen  Parlament, weil sie sich mehr mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt als mit der  Situation der Araber in Israel beschäftigen.  Abgesehen von den Drusen ist die arabische Minderheit in Israel vom Wehrdienst befreit. Denn sie würden gegen ihr eigenes palästinensisches Volk kämpfen müssen. Jedoch  melden sich hunderte Araber freiwillig zur israelischen Armee oder Polizei. Obwohl die  arabische Minderheit in Israel weniger Rechte besitzt als die Juden, weiß sie genau, dass  sie noch weniger Rechte und Freiheiten in einem anderen arabischen Land bekäme. „Sie sind den meisten Arabern wirtschaftlich überlegen, haben eine bessere Ausbildung,  genießen bessere Bürgerrechte als in jedem arabischen Land.“ (Schneider, 2007)  Außerdem schätzen die Araber in Israel das Gesundheitssystem mit guter medizinischer  Versorgung, das hohe Niveau der israelischen Universitäten sowie die Justiz und  Demokratie. Sie sind der Meinung, eine unvollständige Demokratie ist besser als eine  Diktatur.   Das Zusammenleben mit den Juden hat Einfluss auf die arabische Minderheit in Bezug  auf ihre Gewohnheiten, Einstellungen und Traditionen. In einem Artikel der arabischen  Zeitung „Fasel el Makael“ beschwerte sich der Autor über die Zunahme der Mischung  hebräischer Wörter in die arabische Umgangssprache. Extrem findet er die wachsende  Gestaltung von Werbeplakaten für arabische Läden auf Hebräisch anstatt auf Arabisch.  Der Journalist Richard C. Schneider schrieb in seinem Buch „Wer hat Schuld? Wer hat  Recht?“: „Viele von denen haben sich hebräisiert. Denn das Zusammenleben mit den  jüdischen Israelis färbt natürlich ab“. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die israelischen Araber trotz der mangelnden  Gleichberechtigung offenbar dankbar sind, in Israel zu leben. Der arabische Politiker  Aatef Karinaoui sagte „We Arabs need to thank God that we live in this democratic  country.“  Der arabische Schuldirektor Nael Zoabi ist sogar stolz darauf, ein israelischer  Bürger zu sein.  Diese Empfindungen verstärken fraglos die israelische Staatsidentität  und ebenfalls die Zufriedenheit und das Wohlfühlen in Israel. 4. Ein Dilemma entsteht:  Ein Dilemma im allgemeinen Sinne entsteht in einer „Situation in der sich jemand  befindet, besonders wenn er zwischen zwei in gleicher Weise schwierigen oder  unangenehmen Dingen wählen soll oder muss“ (Duden). Je bedeutungsvoller diese Wahl ist, desto komplexer wird die Situation. Der Begriff der Identität lässt sich als „das  Gesamt der Antworten auf die Fragen: Wer bin ich? Wer sind wir?“ definieren (Reinhold,  1991). Die Identität von Menschen wird nicht nur von individuellen Eigenheiten, sondern  insbesondere auch von sozialer Gruppenzugehörigkeit bestimmt.  Wird ein Araber in  Israel nach seiner Identität gefragt, so wird er mit zwei gegensätzlichen  Zugehörigkeitsgefühlen konfrontiert. Er identifiziert sich einerseits mit dem israelischen  Staat und andererseits mit der palästinensischen Nation. Das Dilemma besteht nun  darin, dass die beiden Identitäten hinsichtlich des gewalttätigen israelisch  palästinensischen Konfliktes in einem feindlichen Verhältnis stehen. Israelis und  Palästinenser betrachten sich als Feinde und deswegen ist es fremdartig, ein  Palästinenser und ein Israeli zugleich zu sein. Die Palästinenser in Israel haben in ihrer  Selbstidentifikation einen Standpunkt zwischen den beiden Seiten zu finden, was zu  einem Identitätsdilemma führt.  Das Identitätsdilemma der arabischen Minderheit in Israel lässt sich mit dem Zitat des  ehemaligen arabischen Abgeordneten im israelischen Parlament Abd-al-Aziz Zuabi  beschreiben: „Mein Staat ist im Krieg mit meinem Volk.“  Diese Krise entsteht aufgrund  der Selbstidentifikation mit ihrer palästinensischen Nationalidentität einerseits und mit  ihrer israelischen Staatsidentität andererseits. Während sie in Israel diskriminiert werden,  sind sie zugleich erfreut, in Israel zu leben. Die Araber in Israel besitzen sowohl  israelische als auch palästinensische Verbundenheit. In diesem Paradox entstehen  verschiedene Definitionen der Identität zwischen den beiden Polen. Jede Definition ist  der verzweifelte Versuch einen Standpunkt zwischen der israelischen und  palästinensischen Zugehörigkeit zu finden. Dabei lässt sich die Frage stellen, ob sie  mehr israelisch oder mehr palästinensisch sind. „Insofern sitzen israelische Araber  zwischen allen Stühlen“ (Schneider, 2007).  Der Journalist der „The Washington Times“  Daniel Pipes beschreibt, dass die arabischen Israelis bei ihrem Identitätskonflikt „hin- und  hergerissen sind“ . Palästinensische politische Vereine, Organisationen und Parteien bemühen sich in Israel  die palästinensische Identität bei den arabischen Israelis zu bewahren und zu bestärken.  In vielen Bereichen wie Schulvorträgen, Kunst, Theater, Musik und Workshops wird die  palästinische Identität thematisiert und bekräftigt. Das Projekt „Baladna“ (dt. unser Land)  hat sich sogar u.a. das Ziel gesetzt, junge Araber in der Identitätsthematik auszubilden  und zu lehren, wie sie die ethnische Zugehörigkeit zum palästinensischen Volk bei den  arabischen Israelis bewahren können. Auf der anderen Seite ist die israelische Regierung bemüht, die palästinensischen  Wurzeln zu schwächen. Da die arabischen Schulbücher von der israelischen Regierung  bestimmt werden, lernen die arabischen Schüler in Israel die Geschichte aus jüdischer  Sicht.  Cohen beschreibt auf 211 Seiten, wie die israelische Regierung kollaborierende  arabische Personen geschaffen hat und die Loyalität zum Staat von den arabischen  Bürgern erlangte. Außerdem verspricht die israelische Regierung den Arabern Profite und Vergünstigungen bei einer Leistung im Wehrdienst, Nationaldienst oder bei der Polizei.  Darüber hinaus versichern israelische Regierung und Parteien den Arabern finanzielle  Unterstützungen bei ihrer Annährung zum israelischen Staat.  Eine weitere Strategie ist  es, die religiöse Zugehörigkeit der Araber auf Kosten der palästinensischen Ethnie  aufzuwerten.    Die Tatsache, dass diese Bevölkerungsgruppe arabische, palästinensische und  israelische Bezüge hat, führt dazu, dass sie sich unterschiedlich definiert. Während der  eine Araber sich als Israeli betrachtet, definiert sich der andere Araber als Palästinenser.  Viele formulieren eine Definition aus den folgenden drei Aspekten: Araber, Palästinenser  und Israeli.
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