Das Vorwort der Abschlussarbeit
Es ist mühsam einer Minderheit anzugehören, die 20 % eines Staates ausmacht, dessen
mehrheitliche Bevölkerung die Existenz dieser Minorität nicht akzeptiert. Kompliziert wird
es dann, wenn diese Minderheit das indigene Volk der Region ist, in der dieser Staat
gegründet wurde und jener diese Tatsache nicht nur missbilligt, sondern auch leugnet.
Diskriminierend wird es, wenn dieser Staat sich als die alleinige Heimat einer Religion
bezeichnet und somit die Religionen der Minderheiten missachtet. Ungerecht wird es
weiterhin, wenn die Bürger der Mehrheit mehr Rechte genießen als die übrige
Bevölkerung. Gewalttätig wird es meist, wenn diese minderheitliche Bevölkerungsgruppe
für ihre Rechte kämpft. Lebensgefährlich wird es sicherlich, wenn der Staat bereit ist, mit
Waffengewalt gegen Demonstranten vorzugehen. Bedauerlich wird es insbesondere
dann, wenn diese Minderheit international inmitten eines komplexen Konflikts unbeachtet
bleibt. Und skurril wird es dann, wenn 82 % dieser Minderheit das Leben in diesem Staat
dem in einem anderen Staat vorziehen. Das ist die arabische Minderheit in Israel, der ich
angehöre.
Während ein Teil der arabischen Welt gegenüber den Arabern in Israel das Vorurteil hegt,
dass sie wegen ihrer israelischen Staatsbürgerschaft Verräter seien, betrachten viele
Juden diese Bevölkerungsgruppe andererseits auf Grund ihrer Solidarität mit dem
palästinensischen Volk als „fünfte Kolonne“. Das ist der Ruf dieser Minderheit. Auf dem
Papier sind diese Araber Israelis, doch ihre Wurzeln sind palästinensisch, die bei
manchen stark ausgeprägt, bei anderen eher schwach und bei wenigen gänzlich verloren
sind. Sie sind Bürger zweiter Klasse, jedoch ist es kein Geheimnis, dass ihr
Lebensstandard in der Regel besser als in arabischen Ländern ist. Sie werden von der
israelischen Regierung diskriminiert, aber sie wissen, dass arabische Regierungen ihnen
vermutlich noch weniger Rechte einräumen würden. Das ist der Konflikt dieser Minderheit
Ihre Identität ist zugleich mit palästinensischen und israelischen Bezügen verknüpft. Doch
diese beiden Aspekte harmonieren nicht miteinander, sondern sie bilden gegensätzliche
Pole. Einen Standpunkt dazwischen zu finden, bedeutet manchmal eine Verbundenheit zu
betonen oder zu streichen, eine Hoffnung zu wecken oder aufzugeben, eine Tatsache
anzuerkennen oder zu leugnen. Das ist das Identitätsdilemma dieser Minderheit.
Mit dem Leben in einer solchen Umgebung sammeln sich Emotionen, persönliche
Erfahrungen, leidenschaftliche Momente und gefühlvolle Erinnerungen. Eine neue
Lebensphase nach einer Auswanderung in eine andere, zu Beginn fremde Gesellschaft,
die dieses indigene Volk kaum kennt, bekräftigt indes den Willen etwas bewegen zu
wollen. Ich habe lange auf den Moment gewartet, in dem ich in der Lage bin und die
Gelegenheit geboten kriege, über mein Volk zu berichten. Ich habe mich für eine
audiovisuelle Methode entschlossen, die mir genauso viele Freunde wie Feinde schafft,
bei der ich nah an den Menschen bin, durch die ich sicherlich nicht reich werde, mit der
ich aber einen sozialen Beitrag leisten möchte. Es mag sein, dass die Thematik des
Dokumentarfilms nicht der typischen einer Abschlussarbeit des Studiengangs
Mediendesign entspricht, aber sie passt zu mir.
Wisam Zureik, 25. Mai 2013